Sonntag, 19. Oktober 2008

Ein Traum wird Wirklichkeit...

Das Halltal ist mein persönlicher Naturspielplatz. Immer öfter tausche ich mein privates Wohnzimmer gegen die steilen Wege und schroffen Felsen, und gebe mich all seinen Reizen hin. Das Tal ist ein Stück Heimat für mich geworden. Nach vielen Jahren fern der vertrauten Berge habe ich wieder einen Platz gefunden, an dem ich meine Seele baumeln lassen kann. Natürlich denke ich auch oft an meine ursprüngliche Heimat, das Ausserfern. Und so enstand einst still und heimlich die Idee, Hall mit dem Ausserfern auf magische Art und Weise mit dem Bike zu verbinden. Ich habe die Tour nie detailiert geplant, denn ich wollte mir die Herausforderung nicht durch irgendwelche Unmöglichkeiten verderben lassen. Dass es anstrengend wird, habe ich erwartet, mehr brauche ich zu diesem Zeitpunkt nicht zu wissen. Die Suche nach hartnäckigen Begleitern war nicht schwierig. Es gibt genügend verrückte Sportbgeisterte in diesem Land. Nun will ich euch aber nicht länger auf die Folter spannen und lade euch ein in das große Abenteuer einzutauchen. Es ist Sonntag 8:30 Uhr. Ich bin ganz allein am Oberen Stadtplatz. Der Himmel ist wolkenlos, aber die tiefen Temperaturen erinnern an den momentanen Spätherbst. Ich warte auf meine beiden Leidensgefährten Markus und Tom. Wenige Minuten später tauchen beide auf. Tom begrüßt mich mit blutigem Kinn. Nicht doch, sage ich, hat es dich etwa jetzt schon aufgestellt? Verdutzt blickt Tom in die benachbarte Fensterscheibe und betrachtet sein Spiegelbild. Glück gehabt, es ist nur der Herpes, der mal eben blutet. Endlich kann es losgehen. Eingepackt bis zu den Zehenspitzen machen wir uns auf den Weg ins Halltal. Markus legt ein gutes Tempo vor. Ich hoffe nur, dass uns die Kräfte nicht vorzeitig verlassen. Am Eingang des Tals machen wir eine erste Pause. Ich entledige mich meiner Jacke und verzichte auf meine Beinlinge. Markus und Tom belächeln meine rauhe Natur. Es folgt das steilste Stück der Tour, die Auffahrt zu den Herrenhäusern. Das Bettelwurfeck mit seiner 32%igen Steigung hat es in sich, doch wir halten tapfer durch. Mittlerweile strömt eine ganze Schar an wanderlustigen Menschen ins Halltal. Einige zeugen ihren Respekt mit den Worten "... so steil und da lachen die noch." Nun wäre schlimm, wenn uns jetzt schon der Mut verlassen hätte. Nach 1100 HM haben wir unser erstes Etappenziel erreicht, das Issjöchl (1626 m). Ab hier haben selbst wir Mühe uns im Sattel zu halten. Also lieber erst mal eine Pause machen. Tom und Markus stärken sich mit getrockneten Früchten und Riegeln, und nützen die Gelegenheit sich zu entkleiden. Wir erheben unsere Häupter und blicken in Demut hinauf zu unserem nächsten Ziel, das Lafatscher Joch auf 2081 m. Der Weg dorthin ist steil, grobschottrig und Uphill nicht zu fahren. Wer sein Bike liebt, der schiebt. Markus und Tom ziehen es allerdings vor die Last abschnittsweise auf dem Rücken zu tragen. Man kann es drehen und wenden wie man will, es bleibt eine schweißtreibende Angelegenheit. Umso größer ist die Freude als wir nach exakt einer Stunde die wunderbare Aussicht vom Joch ins Inntal und und ins Karwendeltal genießen können. Zeit die Helme anzuziehen, denn der Weg hinunter auf die Hallerangeralm ist ein steiler steiniger Bergpfad. Wir sind gespannt, wie gut wir uns im Downhillbiken schlagen. Die ersten Meter machen großen Spaß, doch nordseitig liegt doch mehr Schnee und Eis als gedacht. So wird die Abfahrt zu einer vorsichtigen Rutschpartie und endet letztendlich wieder mit Schieben und Tragen bis knapp vor die Hallerangeralm. Die Hütte hat aufgrund der tiefen Temperaturen im Karwendeltal schon seit Anfang Oktober geschlossen. Es folgt die lange und spektakuläre Abfahrt zur Kastenalm. Tom kennt die Strecke und warnt uns rechtzeitig vor den unheimlich steilen Stellen, die jedes Biker Herz höher schlagen lässt. 900 HM später erreichen wir den Almboden. Die Kälte nagt an unseren Knochen als wir talauswärts am Nationalstolz der Bayern, dem Isarursprung, vorbei Richtung Scharnitz radeln. Wir überqueren die Hauptstrasse und folgen dem E4 alpin, der uns unbekannterweise
nach Leutasch bringen soll. Dieses Teilstück entpuppt sich als wenig attraktiv, da der Weg einige Kilometer an der Straße entlang führt. Dennoch gilt es auch hier wieder einige Höhenmeter zu überwinden. Mittlerweile sitzen wir seit 6 Stunden ununterbrochen auf dem Sattel. Markus kämpft mit seinen letzten Kraftreserven. Das Tempo wird langsamer, aber noch haben wir unser Ziel nicht aus den Augen verloren. Es folgt die vorerst letzte Etappe durch das idyllische Gaistal, das sich an so einem Prachtsonntag völlig überbevölkert präsentiert. Die Sonne verschwindet langsam hinter den Berggipfeln des Zugspitzmassivs, als wir am ausgetrockneten Iglsee vorbeikommen. Die Oberschenkel brennen bei jedem Tritt. Glücklicherweise sind es nur noch einige sanfte Höhenmeter. Man kann die Ausserferner Luft schon förmlich riechen. Es ist vollbracht, wir haben die Ehrwalder Alm erreicht. Ein Blick auf die Uhr sagt uns aber, dass wir uns beeilen müssen, wenn wir den nächsten Zug nach Innsbruck erwischen wollen. Also wieder keine Zeit für eine Einkehr, dafür genießen wir die rasante Abfahrt hinunter zum Bahnhof nach Ehrwald. Eine halbe Stunde bleibt uns noch. Der Hunger und der Durst sind groß, und so biken wir retour zur Tankstelle. Unsere Körper schreien nach Flüssigkeit und Salz, was könnte in diesem Augenblick besser helfen als ein gemeinsames Sixpack und eine große Packung Chips für Jeden. Nun schnell zurück zum Bahnhof, der sehr verlassen wirkt. Der Ticketschalter ist seit 2001 geschlossen, wir basteln kurzerhand eine Stehbar daraus und hauchen so dem Gebäude ein völlig neues Leben ein. Der Zug von Ehrwald nach Garmisch ist voll besetzt mit Schülern. Der Schaffner ist mit dieser außergewöhnlichen Situation sichtlich überfordert. Unser Stehplatz bis Garmisch bleibt aufgrund dessen kostenlos. Auch im Anschlußzug von Garmisch nach Innsbruck haben wir Glück. Die freundliche Dame der Deutschen Bahn gewährt uns eine Ermässigung und übersieht zudem mit einem Lächeln unsere Bikes. Innsbruck Hauptbahnhof, 19:30 Uhr. Ein Traum wurde Wirklichkeit. Die Tour von Hall ins Ausserfern, abseits der Straßen über das Karwendel, entlang der Mieminger Kette und des Wettersteingebirges ist seit zwei Stunden Geschichte. Auf das letzte Stück nach Reutte bis zur Haustür meines Elternhauses mussten wir leider aus Zeitgründen verzichten. Die müden Muskeln, Sehnen und Knochen danken es uns. Gabriela, die gute Seele, holt uns am Bahnhof ab. Gemeinsam lassen wir den Abend bei einer schmackhaften Cimellio Pizza ausklingen. Markus und Tom, vielen, vielen Dank für euer Durchhaltevermögen und eure Spontanität. Schön, dass es Menschen gibt, die solch' wahnwitzige Ideen unterstützen. Danke Gabriela für den Shuttle Dienst und gute Besserung für dein Bettelwurf geschädigtes Fersenbein. Und hier die Zusammenfassung des Unternehmens Hall-Ausserfern : Hall/Oberer Stadtplatz - Halltal - Magdalena - Herrenhäuser - Issjöchl - Lafatscher Joch - Hallerangeralm - Kohleralm - Lafatscher Niederleger - Kastenalm - Isarursprung - Gleirschhöhe - Wiesenhof - Scharnitz - Gießenbach - Bodenwald - Weidach - Achweg - Gaistal - Gaistalalm - Tillfussalm - Igelsee - Alpenglühen - Ehrwalder Alm - Ortsende Ehrwald (Ausserfern), insgesamt 70 km und 2400 HM bergauf (ca. 500 HM Schiebe- und Tragestrecke), 1950 HM bergab (leider ein paar Tragepassagen) in insgesamt 8:13 Stunden. Bilder wie immer auf Picasa.

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